Stella
Ein Trauerspiel von Johann Wolfgang Goethe
Premiere 30.04.2002 / Spieldauer 90 Minuten
Goethe hat Stella erst ein Schauspiel für Liebende genannt, es dann aber in ein Trauerspiel umbenamst (was vernünftig klingt, wie 75% aller Erwachsenen wissen) und statt der mènage trois (heute gern als Flotter Dreier übersetzt) alles kurz und bündig mit zwei hübsch anzusehenden Suiziden enden lassen. Goethe ging dem neuerlichen Skandal aus dem Wege und war offensichtlich der Meinung, es sei völlig in Ordnung, daß eine Dreierbeziehung nicht ins Ehebett passen kann: Eine Person landet immer in der Besucherritze, metaphorisch gesprochen.
Cäcilie Sommer bringt ihre Tochter Lucie zur Baronesse Stella, die eine Gesellschafterin braucht. Cäcilie erinnert sich an ihren Mann Fernando, der sie verließ. Auch Stella wurde von ihrem Mann verlassen. Wir ahnen es: also dieser Fernando aber auch. Der taucht wie gerufen auf der Bildfläche auf, um “seine Liebe zu Stella zu erneuern”. Cäcilie ist davon nicht eben begeistert und will abreisen. Stella will, daß sie bleibt und schickt Fernando (wen sonst) zu Cäcilie, sie zu überreden, nicht abzureisen. Wankelmütig wie Männer nun einmal sind, will er sofort mit Cäcilie ausbüchsen. Die Damen verbrüdern (-schwestern) sich aber, und man behauptet, von nun an ein glückliches Leben zu dritt zu genießen.
In der Variante für katholische Landpfarrer ist Stella über den neuerlichen Verrat so von der Rolle, daß sie Gift nimmt, worauf sich Fernando erschießt und Cäcilie wahrscheinlich einfach so stirbt (bzw. „mit Heftigkeit abgeht“). Vorhang.
Bei der Uraufführung 1776 in Hamburg kam es zum Skandal. Lessings liebster Gegenspieler, der Hauptpastor Johann Melchior Goetze, sah die hanseatische Moral erschüttert. Der Autor habe Meineidige, Hurer und Ehebrecher in den Heldenstand erhoben. Stella wird in Hamburg und bald darauf auch in Berlin per Polizeidekret verboten.
Ein Zeitgenosse schuf einen sechsten Akt dazu, in dem die Obrigkeit beschließt, daß “der Landstreicher und angebliche Baron Fernando, wegen begangnen Jungferraub, Meineid, Ehebruch, Vielweiberey, Diebstahl und andern überwiesnen schweren Verbrechen in Verhaft genommen, Andern zur Warnung am Pranger gestellt, alsdann in Eisen geschmiedet, und auf Lebenszeit zum Festungsbau verdammt seyn soll. Von Rechts wegen.” Ein anderer Fortsetzer meinte es besser mit den Figuren und spendierte einen Zwillingsbruder Fernandos, mit dem Stella glücklich sein konnte. Goethe selbst arbeitete den Schluß 1806 für eine Weimarer Aufführung um und ließ Stella Gift nehmen, Fernando sich erschießen. Goethe war mittlerweile Beamter in Weimar und selber oberster Zensor.
Theater Apron hat sich entschlossen, das Drama als das zu produzieren, was es im Kern wohl auch ist: voll Wertherscher Innerlichkeit, schöner Seelen, himmelschreiender Handlungsarmut, aber voll toller Sätze von Gefühls-Junkies auf Entzug, eben eine ganz normale Dreiecksgeschichte mit viel Frauensolidarität, jeder Menge psychologischer Krisen und der Lebensuntüchtigkeit des weibliche Seelen jagenden Mannes.
Zu sehen
- Cornelia Enghardt Cäcilie
- Astrid Beier Stella
- Alexander Terhorst Fernando
- Bernd Plüsch Gleichgewicht
Zu spüren
- Volker Dietzel Regie
- Paul Kaufmann Komposition und Piano