Die Hamlet-Revue
Musikalische Comedy in 27 Bildern
Premiere 15.05.1996 / Spieldauer 100 Minuten / eine Pause
Die Hamlet-Revue hat mit dem Shakespearschen Stück gemeinsam, daß sie sehr lustig ist. Sie hat aber mit Shakespeare Bertold Brecht nicht gemeinsam. Das ist wichtig. Unser Interesse an Blankversen beschränkt sich auf Parodien. Das haben wir mit Brecht gemeinsam. Ist aber nicht wichtig. Wenn wir Shakespearsche Abziehbilder spielen, decken wir milde eine Oberfläche, unter der es ziemlich wild hergeht. Das ist wichtig. Hamlet light statt Stammelhamlet. Wie die Welt geht auch Shakespeare nicht an einem Theaterabend unter.
Hamlet ist eine Zitiermaschine. Zitieren ist die Methode, Bildung mit etwas zu belegen, was man nicht gelesen hat. Zitieren ist außerdem die Technik, etwas anzurufen, was garantiert nicht zurückruft. Zitieren ist etwas für Angeber. Unter diesem Bühnenhimmel sind alle Bildungsbürger gleich. Pauschaltouristen reiten auf Kamelen durchs Helsingör.
Wir arbeiten daran, uns als rostiges Skalpell zu begreifen, obwohl es natürlich leichter gewesen wäre, Ihnen, unserem werten Publikum die Schlaftablette zu geben. Aber auch Lachgas kann keine Operation ersetzen. Das müssen wir leider zugeben. Unsere Revue will die Tragödie nicht ändern, sie ist die Ouvertüre ehe das Drama beginnt, das Zuckerl zum Strychnin. Seit David auf Goliath traf, ist Slapstick der Vorschein der Hölle.
Erst der Sprung ist kalte Wasser macht die Erfahrung; der Sprung ins Reich der Gedanken macht bei Hamlet den in der Schüssel. Denken ist manchmal nicht die dem Menschen angemessene Daseinsform. Hamlets Tod rettete ihn davor, der Opportunist werden zu müssen, den irgendwie alle werden, die nicht den Weg zur RAF gefunden haben. Schon bei Shakespeare ist Hamlet jugendgefärdend. Irgendwann hätte er anfangen müssen, sich zu rasieren.
Bleibt die Frage zu klären, was wir eigentlich sind. Eine autonome Splittergruppe der Shakespeare-Gesellschaft, Ortsvereinigung Schilda? Ein Komando vulgär-situationistischer Spaßguerilleros und -Innen? Was unterscheidet eigentlich Heinz Ehrhardt von Charles Manson?
Bei uns erlebt Hamlet (32) den spätpubertären Ich-bin-erwachsen-Rappel von Bud Bundy, er suhlt sich, à gogo im Todesrausch, und Ophelia leidet in der Schwarzwald-Klinik an einer Bedeutungsscheinschwangerschaft. Lieber die Krone in die Hand als den Himmel aufs Dach kriegen.
Volker Dietzel
Zu sehen
- Astrid Beier Hamlet, Lt. Ophelia, Gräfin de Vere, Kelly Bundy, 1. Kastelhuter Spatz, die bezaubernde Astrid
- Andrea Martin Hamlet, Hexe, Nelly van Selly, Krankenschwester, Peg Bundy, Gertrud, Towarisch Gamlet
- Alexander Voigt Hamlet, Shakespeare, Frank Duval, Marvellous Mike, Fritz Wunderlich, Prof. Claudius, Bud Bundy, Metzgermeister Hamlet, Herr Maiwald, Cpt. Hamlet
- Axel Kohout Hamlet, Shakespeare, Graf de Vere, Regisseur, Konstantin Wecker, Heiner Müller, Al Bundy, Spockratio
- Cornelia Enghardt Hamlet, Voltaire, 2. Kastelhuter Spatz, Ophelia, Ilona Christen, Gertrud
- Dirk Strobel Hamlet, Wigald Boning, Schauspieler, Signor Amletto, Claudius
Zu hören
- Daniel Musketa Ludwig van Beethoven, Antonin Dvorak, Wolfgang Amadeus Mozart ... (Kompositionen & Piano)
Zu spüren
- Volker Dietzel Text und Regie
- Elija Schwarz Kompositionen
- Axel Kohout Plakat
- Jana Wrobel Technik